Wirtschaftliche Kriegsgründe 1918-1939

Weltweite ökonomische Verwerfungen

Die Jahre zwischen den beiden großen Kriegen sind eine Epoche weltweiter ökonomischer Verwerfungen . Staaten finden sich dabei zu wirtschaftlichen Bündnissen zusammen und gehen bei Notwendigkeit auch wieder auseinander. So haben wir als erstes die Gold-Block-Staaten Frankreich, Schweiz, Belgien und Niederlande, die ihre Währungen in ein festes Verhältnis zum Preis des Goldes setzen und ihr Papiergeld zu einem Wertanteil mit ihrem Staatsgold decken. Dies nennt man Goldstandard . Auch andere Staaten, wie die USA, England und die britischen Dominions führen den Goldstandard nach dem Weltkrieg wieder ein, doch sie gehen zu Beginn der 30er Jahre wieder davon ab. Sie versuchen, mit einer Mischung von freiem Handel, Manipulationen ihrer Wechselkurse, mit Schutzzöllen und Einfuhrquoten durch die wirtschaftlich schweren Zeiten der frühen 30er Jahre durchzu-kommen. Dann gibt es eine dritte Gruppe, die sogenannten Devisen-Kontroll-Staaten, die sich einerseits an den Goldstandard halten und andererseits ihre Außenhandels-Geldgeschäfte und den Außenhandel staatlich lenken. Dazu gehören Deutschland, Österreich, die Sowjet-union und eine Reihe südosteuropäischer Länder. Die vierte Gruppe sind der Sterling-Club, also England und die Dominion-Staaten, die ihre Währungen nach der Loslösung vom Goldstandard an das Pfund Sterling binden. Die Regierungen aller Staaten versuchen, den Menschen ihrer Länder „Lohn und Brot“ zu bieten, doch dieses oft zu Lasten anderer Völker. Einen weltweiten Konsens über die „einzig richtigen“ Wirtschaftsregeln gibt es nach dem Ersten Weltkrieg nicht. So führt der Kampf um „Lohn und Brot“, der zugleich ein Kampf um Macht, Reichtum und Ressourcen ist, in aller Regel auch zu Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Nationen.

Die Kriegsschulden aus dem Ersten Weltkrieg

Nach 1919 ist die Welt verändert. Die USA sind vom größten Vorkriegsschuldner zum größten Nachkriegsgläubiger geworden. Briten und Franzosen haben sich die Kosten des Ersten Weltkriegs zu großen Teilen von US-Banken finanzieren lassen. Sie müssen ihre Kriegsschulden nun in Amerika begleichen. Das Deutsche Reich hat Reparationen in einer Höhe an die Sieger zu bezahlen, die sogar das Doppelte der gesamten deutschen Kriegskosten von 1914 bis 1918 übersteigen ( 164 Mrd. RM deutsche Kriegskosten 1914-1918 [ inflationsbereinigt ] zu 331 Mrd. RM Reparationen nach der Forderung von 1921 ). Aus diesen deutschen Zahlungen hoffen Frankreich und England, ihre Kriegsschulden in den USA tilgen zu können. Auch die Sowjetunion muß noch Kriegsschulden bei ihren früheren Alliierten bezahlen, doch sie unterläßt es, da sie finanziell vom Kriege und von der Revolution stark angeschlagen ist. Mit diesen Hypotheken geht die Weltwirtschaft der frühen 20er Jahre an den Start.

Geld ist der Treibstoff für jede Art von Wirtschaft: für Handel, Investitionen, Modernisierungen, für die Finanzierung von Industrieansiedlungen, Verkehrsinfrastruktur, Handelsflotten usw. Ohne eigenes oder geliehenes Kapital kommt nichts in Gang. So arbeiten die Volkswirtschaften aller Länder in den 20er Jahren mit Leih- und Eigenkapital unter recht unterschiedlichen Bedingungen. Dazu kommt, daß die Regeln des Marktes und der Wirtschaft durch den vorhergegangenen Krieg und die Friedensverträge zu großen Teilen außer Kraft gesetzt sind. Das Geld fließt zwischen den Nationen jetzt nicht nur zur Verrechnung von gelieferten Waren und geleisteten Diensten. Es fließt in exorbitanter Menge auch zur Bezahlung der Kriegsschulden zwischen den Siegerstaaten und zur Entrichtung der Reparationen von den Besiegten an die Sieger, dies alles ohne wirtschaftlichen Gegenwert. So werden die einen Länder immer reicher und die anderen immer ärmer, bis ein normaler internationaler Warenaustausch nicht mehr möglich ist. Das alles belastet und verfälscht die Weltwirtschaft der 20er Jahre.

Die deutsche Wirtschaft nach Versailles

Für Deutschland kommt hinzu, daß es durch den Versailler Vertrag zunächst als Handels-partner weitestgehend ausgeschlossen wird. Deutsches Eigentum, das für den Außenhandel nötig wäre, wird enteignet, wie die Handelsagenturen, die Warenlager und die Immobilien im Ausland, und wie die deutsche Handelsflotte. Ab 1921 wird der deutsche Außenhandel außerdem durch einen 26%-Zoll auf alle ausgeführten Waren zusätzlich behindert. Der Zoll geht an die Siegerstaaten. Trotz dieser Lage ist Deutschland zum Export gezwungen. Es müßte nicht nur die lebensnotwendigen Importe durch Exporte in gleichem Wert verdienen. Deutschland müßte auch das Geld für seine Reparationen, die ja zunächst für 70 Jahre vorge-sehen sind, erst einmal durch die Ausfuhr deutscher Güter im Ausland einnehmen. Da das nur in sehr geringem Umfang möglich ist, lebt das Deutsche Reich in den Nachkriegsjahren vor allem von ausländischen Krediten.

Die golden twenties

In den 20er Jahren boomt die Weltwirtschaft. Nur Deutschland stürzt infolge seiner bisher nicht zurückgezahlten Kriegsanleihen, infolge der Reparationen und weiterer Kriegsfolge-lasten, wegen der Erschöpfung von Industrie und Rohstoffen und durch den gebremsten Außenhandel 1923 in eine schlimme Inflation. Im November 23 wird eine Billion „Papiermark“ in eine Rentenmark getauscht. Hinzu kommt, daß das Deutsche Reich ab Sommer 1923 zunehmend verschuldet. Nach der Inflation kommt es zu einer kleinen Konjunktur, den „golden twenties“, aber auch die beruht vor allem wieder auf Krediten aus dem Ausland. Deutschland blüht für kurze Zeit auf Pump.

Die Weltwirtschaftskrise

Englands wirtschaftliche Lage ist solang solide, bis Frankreich mit seinem Außenhandel Englands Handel abhängt und bis höhere Zinsen in Paris in großem Umfang Kapital aus London abzieht. 1926 beginnt schließlich auch Großbritanniens Goldvorrat nach Frankreich abzufließen. Frankreich schädigt so zu sagen England. 1929-30 wird Nordamerika von drei Bankenkrisen nacheinander heimgesucht, ausgelöst vom Preisverfall für Landwirtschafts-produkte und in dessen Folge vom Konkurs von 600 kleinen Banken und „gekrönt“ vom Zusammenbruch der Börse in New York im Oktober 1929. Der Börsenkrach in den USA und Englands Finanz- und Wirtschaftsschwäche schlagen weltweit durch. Die USA ziehen ihr verliehenes Kapital kurzfristig aus Deutschland ab, sodaß der New Yorker Börsenkrash auf Deutschland überspringt. Was nun folgt, sind drei Jahre weltweiter Depression.

Zu Beginn der 30 er Jahre gehen viele Staaten, wie die USA, Kanada und England vom Goldstandard ab. Weltweit beginnen die Industrienationen, ihre heimischen Volkswirt-schaften und Gold- und Devisenreserven mit Schutzzöllen, Importquoten und anderen Handelshemmnissen vor der Konkurrenz des Auslandes abzuschirmen. Frankreich und die USA sind zunächst in einer komfortablen Lage. Die US-Wirtschaft fährt trotz hoher Arbeits-losigkeit und Bankenkrisen nach wie vor Gewinne ein. Der US-Goldvorrat nimmt bis zum Kriegsbeginn hin kräftig zu. Frankreich lebt für ein paar Jahre gut von Industrie und Handel, von gesunden Banken, von Exporten und den Reparationsleistungen und –zahlungen aus Deutschland. Die Franzosen finanzieren und rüsten in der Zeit die Länder Osteuropas „in Deutschlands Rücken“ auf. England leidet zur gleichen Zeit schon unter seinem defizitärem Außenhandel, unter Kapitalflucht, dem Abfließen eines Teiles seines Goldvorrats und hoher Arbeitslosig-keit. Deutschlands Lage ist bereits beschrieben.

Die Konferenz von Lausanne 1932

Mit der Weltwirtschaftskrise ab 1929 verändert sich das Bild. Die großen Industrienationen versuchen, nach recht unterschiedlichen Methoden dem Dilemma der Krise zu entrinnen. 1932 bemühen sich Sieger und Besiegte auf einer Konferenz in Lausanne, die Restschulden Österreichs und Deutschlands aus den noch offenen Reparationen einvernehmlich festzulegen, doch kein fremdes Land gibt Deutschland die nötigen Kredite, um die Restschuld abzutragen. Deutschland stellt die Zahlungen ein. Nun weigern sich Paris und London ihrerseits, ihre Kriegsschulden in New York zu zahlen. Dem folgt ein Kreditverbot der USA gegenüber Großbritannien und Frankreich, das bis zum Zweiten Weltkrieg gilt. Ein jeder gibt die Schuld dafür den Anderen.

beggar-my-neighbour policy

Die USA und England lösen sich vom Goldstandard und entdecken die Geldentwertung als wirtschaftliche Waffe. Der Wert von Pfund und Dollar läßt sich nun nach den Beschlüssen von Zentralbank und Regierung gegenüber dem Preis des Goldes senken. Und eine billigere eigene Währung fördert die Exporte, verbilligt die Kredite, hebt die Inlandspreise und damit die Einkommen in Industrie und Landwirtschaft, und hält tendenziell ausländische Produkte vom eigenen Markte fern. Die Staaten versuchen, mit billigen eigenen Währungen möglichst viele Waren im Ausland abzusetzen und damit Inlandsarbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten. Doch das verschiebt nur die eigene Arbeitslosigkeit ins Ausland. Der englisch-amerikanische Ausdruck von damals für diese Währungs- und Wirtschaftspolitik heißt deshalb „beggar-my-neighbour-policy“ ; in holperigem Deutsch: „ Mach-meinenNachbarn-zum-Bettler-Politik“. Das ist Wirtschaftskampf mit monetären Mitteln. Die ersten Opfer dieser Manipulationen sind Frankreich, die andere Gold-Block-Staaten und das Deutsche Reich. Die USA riegeln ihren Inlandsmarkt außerdem bis Ende 1932 durch hohe Zölle und Importquoten von der Einfuhr fremder Waren ab. Als das die Massenarbeitslosigkeit nicht lindert, wirft Roosevelt bei seinem Amtsantritt das Ruder um. Er setzt auf freien Handel und verlangt von allen Staaten, ihre Märkte für Waren und Produkte aus den USA zu öffnen. Er erhebt den „freien Handel“ ohne Zölle und Quoten zu einem der Ziele der amerikanischen Außenpolitik.

Die Konferenz von Ottawa 1932

Ab Sommer 1932 geht England einen eigenen Weg. Es bildet auf der Konferenz von Ottawa einen Wirtschaftsblock der Empire-Staaten, die ihre Währungen von nun an statt an Gold an das Pfund Sterling binden. Dieser Sterling-Club ist damit eine der neuen Sonderwirtschafts-zonen, die sich mit Handelsprivilegien nach innen und Schutzzöllen nach außen Vorteile zu schaffen suchen. Der Sterling-Block ist für die USA ein wirtschaftsschädigender Konkurrent. 1939 gelingt es Roosevelt, die „Ottawa-Zone“ zu knacken, als England Kapital und Waffen aus den USA für den Zweiten Weltkrieg braucht. Frankreich, Belgien und die anderen Gold-Block-Länder halten ihre Währungen noch für ein paar Jahre an das Gold gebunden und damit stabil. Da Franc, Belga, Gulden usw. jetzt gegenüber Pfund und Dollar teurer werden, verlieren diese Länder viel an ihren Exporten und am Volkseinkommen. Die Kapital- und Goldverluste sind so hoch, daß Frankreich 1936 den Goldstandard aufgibt und 1938 den Franc ans Pfund ankoppelt. Damit gehört auch Frankreich ab 1938 zum Sterling-Club und damit zum wirtschaftlichen „Gegnerlager“ der USA.

Die Wirtschaft im Dritten Reich

Deutschland und Österreich, sowie viele Länder Südosteuropas, des Nahen Ostens und Südamerikas haben Anfang der 30er Jahre alle ähnliche Probleme. Ihnen mangelt es an eigenem Kapital, und Deutschland fehlen seit Hitlers Wahl zum Kanzler zusätzlich die Kreditgeber im Ausland. So stagniert ihr Außenhandel und damit die Einnahmen, mit denen die notwendigsten Importe zu bezahlen wären. Dem folgen sinkende Volkseinkommen, hohe Arbeitslosigkeit und die Verelendung der ärmeren Bevölkerungsschichten.

Deutschland sucht sich seit 1933 einen eigenen Weg aus dem Dilemma: die wirtschaftliche Autarkie. Die Reichsregierung beginnt, mit zwei Vierjahresplänen die Volkswirtschaft zu steuern. Der Erste Vierjahresplan von 1933 soll die Ernährung der Bevölkerung verbessern und den schnellen Abbau der hohen Arbeitslosigkeit bewirken. Der Plan hat in erster Linie Binnenwirkung. Der Zweite Vierjahresplan von 1936 soll die wirtschaftliche Abhängigkeit des Deutschen Reichs vom Ausland minimieren. Nach der jahrelangen Abschnürung Deutschlands von seinen Rohstoff- und Nahrungsmitteleinfuhren während des vergangenen Krieges will Hitler Deutschland vor der Wiederholung einer solchen Zwangslage sichern. ( siehe hierzu Fußnote ) Der Plan von 1936 soll die Selbstversorgung Deutschlands steigern, die wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Ausland verbessern und der Förderung des eigenen Exportes dienen. Der Zweite Vierjahresplan schlägt folglich störend auf die Volkswirtschaften anderer Länder durch. Die Reichsregierung steuert damit einen Kurs, die eigene Wrtschaft weitgehend ohne ausländische Waren, Produkte und Kredite zu sanieren. Zwei Gleise liegen auf dem Kurs, das eine für die Binnenwirtschaft, das andere für den Außenhandel. In der Binnenwirtschaft entwickeln Wissenschaft und Industrie Ersatzstoffe und Produkte, die bisher aus dem Ausland kamen. Der Geldkreislauf im Inland für die Aufbauleistungen im Straßenbau, Wohnungsbau und in der Rüstung wird mit einem Kunstgeld, den sogenannten Mefo-Wechsel , angestoßen. Die Zinssätze der Banken werden drastisch abgesenkt. Der Devisen- und Goldverkehr mit dem Ausland wird staatlich kontrolliert und der Privatwirtschaft entzogen. Dabei dürfen Gewinne ausländischer Firmen nur noch als Waren, nicht mehr als Geld ins Ausland fließen. Mit alledem wird die Volksversorgung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze angekurbelt.

Die deutsche Sonderwirtschaftszone

Auf dem zweiten Gleis spielt sich der deutsche Außenhandel ab. Das Deutsche Reich schließt mit 25 devisenschwachen Ländern in Südosteuropa, im Nahen Osten und in Südamerika zweiseitige Verträge über einen zahlungsfreien d.h. devisenlosen Außenhandel , also Ware gegen Ware, z.B. Linsen aus Chile gegen Lokomotiven aus Deutschland. Der Warenaustausch zwischen Deutschland und den Partnerländern wird monatlich Wert gegen Wert verrechnet , ohne daß noch Devisen zur Bezahlung fließen, und ohne daß der Handel mit geliehenem und verzinsten Geld vorfinanziert werden müßte. So baut sich Deutschland zwischen 1932 und 1936 eine informelle Sonderwirtschaftszone auf, ein deutsches Präferenzsystem . Die meisten der Vertragspartnerländer sind seit der Weltwirtschaftskrise so knapp an Devisen, daß sie Ihren Devisenaußenhandel staatlich kontrollieren müssen; daher die Bezeichnung Devisen-Kontroll-Staaten. An dem System des devisenlosen und weitgehend zinsfreien Außenhandels profitiert jedes Land, das sich vertraglich an Deutschland bindet. Dabei aber – und das ist der Pferdefuß – verlieren die USA, Großbritannien und Frankreich auf Märkten große Marktanteile, auf denen sie bisher beherrschend waren, besonders die USA in Südamerika. Außerdem verlieren New York und London ihre Kreditgeschäfte bei der Vorfinanzierung des Außenhandels in den Staaten, die jetzt Tauschhandel mit den Deutschen treiben.

Deutschland als wachsender Konkurrent vor dem Zweiten Weltkrieg

Es sieht so aus, als würde Deutschland vom finanziellen Zwerg zum wirtschaftlichen Riesen wachsen, und zwar zu Lasten der Sieger aus dem Ersten Weltkrieg. Das Wachstum zu einem Wirtschaftsmittelpunkt ist in der Wahrnehmung der Amerikaner, Briten und Franzosen 1939 noch nicht abgeschlossen. Hitlers und von Ribbentrops Bemühen um „freie Hand“ für eine politische Hegemonie in Ost- und Südosteuropa signalisiert, daß der deutsche wirtschaftliche Aufstieg offensichtlich weitergehen soll. Für die USA ist damit neben England und seinem Sterling-Club ein zweiter Konkurrent entstanden. Präsident Roosevelt muß sich nun Sorgen machen, daß Deutschland in Südamerika wirtschaftlich Erfolge hat und die US-Exporte dorthin behindert, daß es damit in den Ländern Südamerikas politisches Ansehen und Gewicht bekommt, daß die US-Kreditgeschäfte in Südamerika abnehmen und zuletzt auch, daß das deutsche „Modell“ in den USA an Attraktivität gewinnen und seine – Roosevelts – Popularität beschädigen könnte. Immerhin gelingt es dem deutschen Reichsbankpräsidenten und Handelsminister Hjalmar Schacht und Hitlers Politik, die Arbeitslosigkeit in Deutschland bis 1938 abzubauen und das Volkseinkommen zu verdoppeln, während Roosevelt mit seinem New-Deal-Programm trotz guten Außenhandels immer noch auf 10,4 Millionen Arbeitslosen sitzt.

Roosevelts Forderung nach weltweitem Freihandel

Wie ernst es Roosevelt mit der deutschen Konkurrenz ist, zeigt, daß er häufig vor einer Durchdringung Lateinamerikas durch die Achsenmächte warnt, und daß er sich bemüht, die südamerikanischen Staaten mit wirtschaftlichen und finanziellen Repressalien wieder aus dem deutschen Präferenzsystem herauszubrechen. Präsident Roosevelt verpackt die US-Handels- und Finanzinteressen in seinem politischen Programm der „friedlichen Weltordnung“ als Programmpunkt „friedliche und freie Handelspolitik“. In den beiden Begriffspaaren bedeutet „friedlich“ zuerst einmal US-amerikanisch. Der sogenannte freie Handel ist für Roosevelt – wie sich später zeigt – ein Kriegsgrund. Als er im März 1940 nach Polens Niederlage in Berlin, Paris und London sondieren läßt, wie man in Europa zu einem Frieden kommen könnte – England und Frankreich haben zu der Zeit Deutschlands Angebot zu einem Frieden abgelehnt – , stehen fünf Fragen auf der Tagesordnung: die Zukunft Polens und die der Tschechei, die Wirtschaftsordnung in Europa, die Abrüstung und nachgeordnet auch die Menschenrechte. Bei den Sondierungen, die der US-Unterstaatssekretär Welles in Roosevelts Auftrag bei den Deutschen vornimmt, ist der von Hitler und Göring vorgebrachte Standpunkt, daß man deutscherseits bereit ist, sich aus Polen – ohne Korridor und Danzig – zurückzuziehen, desgleichen aus der Tschechei als einem in Zukunft weitgehend entmilitarisierten Staat. Nur in den Wirtschaftsfragen beharren sowohl Hitler als auch Göring auf der deutschen Wirtschafts- und Währungspolitik, wozu das System des devisenlosen Tauschhandels mit Ländern in Südosteuropa und Südamerika gehört. Auf dieser Basis ist Roosevelt nicht an einem Frieden interessiert. Er setzt seine Politik der Vorbereitung der USA auf eine Kriegsteilnahme fort. Mit einem Kriege in Europa kann der amerikanische Präsident zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. England muß die Ottawa-Sonderwirtschaftszone als Preis für den Kriegseintritt der USA an seiner Seite opfern. Und Amerika und Großbritannien können bei einem Sieg gemeinsam Deutschlands Sonderwirtschaftszone tilgen.

Deutschlands Handel als ein Kriegsgrund unter anderen

Auch Großbritannien ist von Deutschlands eigenem Weg betroffen. Obwohl die Ottawa-Staaten sich selbst nach außen hin abriegeln und so den freien Handel unterbinden, ist Deutschlands Art, den internationalen Kapitalmarkt auszuschließen und sich durch Vorzugsregelungen die Märkte von 25 anderen Ländern zu erschließen, aus ihrer Sicht nicht akzeptabel. Wie man den deutschen Handel von London aus beurteilt, ist schon an früherer Stelle dieses Buchs beschrieben. Der englische General und Historiker Fuller schreibt nach dem Krieg rückschauend zum deutsch-englischen Verhältnis:

„Hitlers Traum war daher ein Bündnis mit Großbritannien. … Ein solches Bündnis war jedoch unmöglich, hauptsächlich deshalb, weil unmittelbar nach Hitlers Machtergreifung dessen Wirtschaftspolitik des direkten Tauschhandels und der Exportprämien dem britischen und amerikanischen Handel einen tödlichen Streich versetzte.“

US-Präsident Roosevelt drückt das Gleiche an dem Tage, an dem er beschließt, die USA an der Seite Englands in den Krieg zu führen, kürzer aus, als er zu seinem Sohne Elliott sagt:

„Will irgendwer behaupten, daß Deutschlands Versuch, den Handel in Mitteleuropa zu dominieren, nicht einer der Hauptgründe für den Krieg war?“

Die Methoden, welche die Staaten zwischen der Weltwirtschaftskrise und dem Krieg anwenden, nutzen den Anwendern und schaden allen Konkurrenten, egal ob Schutzzoll, Geldabwertung, Zinsanhebung, Vorrangvertrag, Tauschhandel oder Importquoten. Sie alle sind Instrumente finanz- und handelstechnischer Natur. Doch die USA , wie auch Britannien, umhüllen diese Instrumente mit einem moralisches Gewand. Sie deklarieren ihre eigenen Konkurrenzmethoden als „friedlichen und freien“ Handel. Zum Schluß sind Pfund und Franc und Mark dem Dollar angekoppelt, der das Stück bis 1971 noch mit 0,7 Gramm Gold gedeckt ist und danach mit nichts mehr. Ab da können die USA ihre Importe mit selbstgedruckten Dollar finanzieren, während alle anderen Staaten sich ihre Importe erst verdienen müssen, meist in Dollar. Der Weg zu diesem Sieg der USA beginnt in den 30er Jahren, und der Krieg gegen das Deutsche Reich ist auf dem Weg ein Schritt .

Fußnote zu Vierjahresplan 1936: Hitlers schriftliche Aussagen in seinem Vierjahresplan beziehen sich auf einen von ihm als unausweichlich angesehenen Abwehrkampf Deutschlands gegen einen zukünftigen Angriff der bolschewistischen Sowjetunion.

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